Ein Meinungsbeitrag: #16/100
Das ist schon viele, viele Jahre her, dass ich einen Betrieb übertragen bekam, da hatte die „schwarze Lebend-Masse" die ganze marode Hütte infiltriert und komplett unterwandert.
Unterstützt wurden die Biester vom Führungspersonal. Diese Produktionsmanager hatten so 5 bis 10 Jahre vor meinem Auftritt minderwertige Schrott-Gerste aufnehmen müssen und Katastrophen-Malz im Lager, mit dem es damals überfordert war. Die Gerste und das Malz blieben dann einfach liegen. Erst ein paar Monate, dann war ein Jahr rum, dann 2 oder 3 Jahre und dann wieder ein paar Jahre...
Die Cerealien-Bruchbude entsprach in diesem Lagerteil nicht einmal dem Anspruch sibirischer Bergwerke hinsichtlich Fördertechnik. Es rieselte durch die ganzen maroden Schieber immer wieder kleine Mengen frischen Materials auf die Altlasten. Nach 4 oder 5 Jahren wurde dann glücklicherweise die Company verkauft, bei den halbherzigen Begehungen wurden die „laut tickenden Käfer-Bomben" nicht gefunden, dafür hatte das Führungspersonal gesorgt.
Denen war logischerweise längst bekannt, dass Sie keine Gersten- oder Malzbestände hatten, sondern Zellen, die ausschließlich aus Spelze, Käfern, Larven und mittlerweile sogar den schwarzen Totengräber-Käfern bestanden.
Die Silos blieben deshalb geschlossen, genauso wie die Augen vor dem drohenden Ungemach, welches sich seinen Weg unaufhaltsam durch den ganzen Betrieb bahnte. Der Betriebsleiter hatte die Kurve rechtzeitig gekratzt und das untätige mittlere Management in Produktion und Qualitätswesen versuchte das Problem auszusitzen.
Die Verantwortung zu tragen für einen solchen Müllhaufen gehört zu den unsäglichsten Kapiteln im Malzbereich. Um aus dieser katastrophalen Situation herauszukommen bedarf es extremer Handlungen.
Das komplett zerstörte Spelzenmaterial muss, mitsamt der lebenden Bio-Masse, durch Spezialunternehmen abgesaugt und entsorgt werden. Die weitere Kontamination im gesamten Betrieb muss verhindert werden, was nahezu unmöglich ist. Es sind konsequente Schädlingsbekämpfungskonzepte durchzuführen. Hunderttausend Euro werden, ohne Problem, in einem einzigen Jahr sinnlos versenkt. Die Käfer migrieren weiterhin durch solche Betriebsstätten.
Wenn kontaminierte Malze in den Container-Export gehen und bis zu 8 Wochen, im Hochsommer, unterwegs sind, dann gibt es immer wieder erboste Überraschungen bei den Kunden in den Seehäfen. Es sei denn das "Lebend-Malz" wird nach Südamerika geschippert, dann gerne, denn in den Überseehäfen wird zwangsweise mit Phosphorwasserstoff begast. Wenn der Mega-Kutter mit bis zu 10.000mt pro Lot die Luken dicht gemacht hat und nach Venezuela, Brasilien und anderswo tuckert wird die mobile Brut dann nachhaltig eliminiert. Das ist dann die Gelegenheit ordentlich "Käfereinlage" abzustossen.
Mälzer gehen aber auf Nummer sicher und verwenden Käfermalz lieber im Inland, sie reduzieren die Reinigungsleistung der Malzpolierung und erhöhen die Luftleistung im Windhaus entsprechend. Dies verringert die Feststellung von aktiven Käfern in der Brauerei bei der Anlieferung. Es krabbeln weniger Käfer offensichtlich durch das Malz, die Eierbrut wird hiervon nicht beeinflusst.
Wenn ein Brauer-Kollege trotzdem anruft und Käferbefall feststellt hat, dann erfährt er, dass seine Brauerei die Einzige sei die reklamiert hätte. Auch wenn er die Fleischeinlage in seinem veganen Produkt moniert wird oftmals abgeladen. Der Mälzer bettelt und beteuert:
„Das ist ein Ausnahmefall. Wir haben keine Käfer. Echt jetzt. Ehrlich. Sie können sich auf den Mälzer Ihres Vertrauens doch absolut und immer verlassen."
Beim mälzenden Käferdompteur in Kornkäferhausen sind dann meistens schon die Drähte heißgelaufen, vor "lauter Einzelfällen", die es plötzlich gibt.
Was für einen widersinnigen Plural „der nur scheinbar theoretisch einmalige Einzelfall" doch hat.
Könnte glatt die wiederkehrende-wiederholte-Einzelfälle-Erfindung der "Sub-Sub-Hab-ich-Nich-Gesehen-Corona-Fleischbranche" sein oder der "Niemals-Nie-Dioxin-Eier-Lobby", oder doch nur der platte Standardspruch der "Kääääfer-häää-KannNichtSein-Malzbarone"...
Na, dann Prost, ist ja schon Freitag-Spät! Ich mein ja bloß.
Die Meinungs-Kolumne zum Freitag-Feierabend-Bier!
(Okay, okay es ist erst Donnerstag, aber ich habe morgen einfach keine Zeit und bevor ich dann wieder nachliefere, nehme ich es diesmal vorweg. Die "Freitag´spät Texte sind zwar aus dem Buch "Die Mittelstands Mafia" aber dennoch immer ein bisschen umgestellt und frischer aufgehübscht)